Jörg
Amonat
Hereinspaziert!
Die Privatisierung der öffentlichen Räume bewahrt diese vor
einer zunehmenden Verödung und befriedigt am besten die existenziellen
Grundbedürfnisse der Menschen.
Eine visionäre Lösung? Oder
einfach nur schlechte Science Fiction?
Beides trifft wohl nicht zu. Es
ist Realität, denn der Rückzug
in private Räume hat längst stattgefunden, nicht nur in Gated
Communities als zeitgenössische Burganlagen in denen schon der gut
sortierte Mittelstand angekommen ist und sich einem totalitär organisiertem
System bereitwillig unterwirft. Versprochen wird Sicherheit und ein angstfreies
Wohnen, der Preis ist ein Leben nach Schablone. Denn wer sich dort der
Normierung entzieht fliegt raus.
Um die Eingangsbehauptung noch zu zuspitzen
kann auch getrost gesagt werden, das der öffentliche Raum nicht
mehr in der traditionellen Form existiert. Das einzig übriggebliebene
Fossil ist der Strassenraum, beständig gepflegt und gut funktionierend.
Er ist jedoch vollständig
zum Transitraum mutiert und kaum noch ein schwacher Abglanz der ehemals
bedeutsamen Strasse als Ort der Sammlung. Der Rest an öffentlichen
Räumen ist sekundär und es ist nur eine Frage der Zeit wann
diesen partikulären Zellen das Licht endgültig ausgeblasen
wird.
Alles läuft auf Segregation hinaus, ob im Grünen oder in der
City. Es sind die vielen kleinen privat organisierten Zellen die diese
Entwicklung belegen. Das Leben im eigenen Verein durchwabert die Gesellschaft
und wer sich voll und ganz der Öffentlichkeit hingeben möchte
schliesst seine Wohnungstür hinter sich und bleibt zu Hause. Denn
nur noch dort scheint zu existieren, was mit »Öffentlichkeit« bezeichnet
wird.
Die
Platzwarte der öffentlichen Räume, die gewählten Volksvertreter
in Ländern und Gemeinden sind nicht in der Lage diesem Prozess andere
Visionen entgegen zu setzten. Wie auch? Es ist nur noch ein bürokratischer
Verwaltungsapparat, der in seiner ganzen behäbigen Schwerfälligkeit
schon Mühe hat sich selbst zu legitimieren. Welcher städtische
Beamte hat ein persönliches Interesse und identifiziert sich mit
der ihm übertragenen Aufgabe? Was für eine Motivation könnte
er besitzen?
Regen sich Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern die sich
mit stadträumlichen Problemfeldern beschäftigen treffen sie
irgendwann, oder besser genau dann, wenn es um eine konkrete Umsetzung
geht, auf die Betonmauer des Verwaltungsapparates. Was dort nicht zermalen
wird verfällt der Agonie einer Bürokratie und wird durch diese
einfach ausgesessen. Diese Verwalter des öffentlichen Lebens sind
dessen Totengräber und ihre haushohen Ablagen gleichen Grabkammern
und bilden die unsichtbaren Nekropole unserer Städte.
Die Parkanlagen,
als einer der letzten für jeden frei zugänglichen
Zonen des öffentlichen Raumes, befinden sich auch in diesem Spannungsfeld.
Das Interesse der Bevölkerung mag in den verschiedenen Städten
unterschiedlich sein, das der Verwaltungen auch. Tendenzen lassen sich
dennoch feststellen.
Die äussere Gestalt dieser Anlagen entsteht
oft zufällig und
eher aus praktisch banalen Beweggründen als das es ein bewusst gestaltender
Akt gewesen wäre.
So fungieren sie oft als städtische Abstellflächen diverser
Gedenkmale, die durch Baumassnahmen ihren ursprünglichen Ort verlassen
mussten. Wo sollte man auch hin damit, wenn sie nicht in irgendwelchen
Kellerdepots der Erinnerung endgültig entzogen werden sollen. Das
ist grundsätzlich positiv zu bewerten, wenn nicht der Beigeschmack
eines musealen Depots unter anderen Bedingungen entstehen würde,
der sich vom Keller desselben nur dadurch unterscheidet, das er jetzt öffentlich
ist.
Die aktuellen Zeitbezüge werden durch lokale Künstler abgedeckt,
die durch gute Verbindungen zu städtischen Entscheidungsgremien
ihre Marken hinterlassen dürfen und so zur Restmöblierung beitragen.
Der geringe Kunstetat einer Kommune wird nicht selten durch diese kostenintensiven
Dekorationen erheblich belastet.
Die Aufenthaltsqualität erhöht
dies kaum, wie auch, dieser Gedanke spielt bei solchen Planungen eine
untergeordnete Rolle. Es sind
solitäre Setzungen ohne Raumbezug und das ist auf Dauer einfach
zu langweilig.
Eine gewisse Ordnung und Sauberkeit wird durch das Gartenbauamt gewährleistet
und über rotierende ABM-Massnahmen vollzogen. So wird die innere
Verwahrlosung äusserlich gepflegt und macht an vielen Orten einen
ganz passablen Eindruck. Ein luxeriöser Akt, so als ob der Park
um seiner selbst willen beständig herausgeputzt wird. Ein Artefakt
in musealer Selbstgenügsamkeit oder l´art pour l´art.
Diese Grünflächen dafür zu benutzten macht sogar Sinn.
Denn sie besitzen als einzige städtische Bereiche einen Status Quo
der Unberührbarkeit. Sie sind, noch, resistent gegenüber diversen
Flächennutzungsplanungen und vor dem Zugriff gewinnorientierter
Grundstücksspekulanten geschützt. Ihr kommerzieller Verwertbarkeitsgrad
wäre zwar sehr hoch, er darf aber nicht ausgeschöpft werden.
Was für eine Voraussetzung und was für eine Chance für
ein lebendiges öffentliches Leben!
Aber wen interessieren diese Grünflächen
noch so richtig. Kaum wahrgenommen und aus dem Bewusstsein der meisten
Menschen getreten sind
sie bestenfalls noch die Sammelbecken der ebenfalls Ausgeschiedenen.
Der periphere Raum wird zum Aufenthaltsort von sogenannten Randexistenzen
und somit für den Normalkonsumierer zum obskuren Terrain. Wer begibt
sich dort schon freiwillig hin, man möchte unter seinesgleichen
bleiben. Da steckt sehr viel Unattraktivität drin und vielleicht
war der Bürgerpark sowieso nur ein kurzer stadträumlicher Irrtum.
Er wurde nicht wirklich aktiv in Besitz genommen, denn dass schliesst
auch eine Verantwortlichkeit mit ein und delegiert diese nicht.
Die Bedürfnisse
haben sich nicht grundlegend gewandelt, der Wunsch sich entspannt durch
eine grüne Kulturlandschaft zu bewegen ist
heute genau so stark wie früher. Es gäbe viele Gründe
für den allgemeinen Rückzug zu benennen und erst die Summe
verlagert die gesellschaftlichen Aktivitäten und verändert
somit gesellschaftliche Funktionsräume oder schafft neue.
Ein Thema ist die Sicherheit. Mit immer komplexer werdenden Strukturen
sortiert sich die Gesellschaft permanent und lässt diejenigen hinter
sich, die diesem Tempo nicht gewachsen sind. Das verursacht bei den Menschen
Unsicherheit und im städtischen Geflecht vielmehr Orte der Zuflucht
als miteinander kommunizierende Räume.
Der traditionelle Stadtpark ist davon genauso betroffen und der Versuch
ihn allgemeinen Sicherheitsstandards anzugleichen lässt ihn nur
noch obsoleter erscheinen. Jede installierte Videoüberwachung verursacht
nicht nur endlose Diskussionen sondern auch jene Unsicherheit die eigentlich
damit beseitigt werden sollte. Eine Videokamera im öffentlichen
Raum ist ein untrüglicher Indikator dafür, das man sich in
einer Zone potentieller Gefahr befindet.
Vom Park zur Shopping-Mall ist
es nicht weit. Hier werden momentan die Bedürfnisse am besten und
allumfassend befriedigt. Die Videoüberwachung
ist Qualitätsmerkmal und wird nicht in Frage gestellt, im Gegenteil,
sie ist erwünscht.
Es ist der Ort, an dem Flaneure und Konsumenten
aufeinandertreffen und es scheint in dieser Kreuzung eine neue Spezies
zu entstehen. Denn das
Eine schliesst das Andere nicht mehr aus und beides kann mit Wohlfühleffekt
unter der Obhut eines privaten Sicherheitssystems wieder unbeschwert
genossen werden. In Ergänzung mit Sonnen-Studio und Fitness-Center
sind momentane Antworten einer städtischen Entwicklung gefunden
die den öffentlichen Raum einer Parkanlage zum musealen Ort der
Erinnerung werden lassen.
Jörg Amonat
|